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Fachgespräch – Reform des Straßenverkehrsrechts am 7. November 2023

Portrait of Swantje

Swantje Michaelsen

4 min Lesezeit

20. November 2023

An unserem digitalen Fachgespräch zur Reform des Straßenverkehrsrechts mit Rechtsanwalt Dr. Roman Ringwald und Thomas Dienberg von der Initiative für Lebenswerte Städte haben fast 300 Menschen teilgenommen.

Roman Ringwald hat in seinem Input deutlich gemacht, dass die Reform des Straßenverkehrsgesetzes ein wichtiger und großer Schritt ist. Die neuen Ziele Klima- und Umweltschutz, Gesundheit und städtebauliche Entwicklung sind gleichrangig mit der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs im Gesetzt verankert. Damit können alle Regelungen für die Verkehrsplanung (StVO, VwV-StVO etc.) zukünftig an den neuen Zielen ausgerichtet werden. Nicht länger steht allein die Flüssigkeit des Autoverkehrs im Fokus. Mit der Gesetzesänderung wird ein Paradigmenwechsel eingeleitet.

Thomas Dienberg, Baudezernent der Stadt Leipzig und einer der beiden Sprecher*innen der Initiative für lebenswerte Städte durch angepasste Geschwindigkeiten, hat aus Sicht der Kommunen Zufriedenheit mit dem neuen Gesetz signalisiert. Das Gesetz eröffnet den Kommunen neue Spielräume. Der Entwurf für die StVO setzt dies bei der Neureglung der Anordnung von Flächen für den Radverkehr, für den Fuß- und Busverkehr um. Busspuren, Rad- und Fußwege können zukünftig auf Basis der neuen Ziele angeordnet werden. Kritik äußerte Thomas Dienberg bezüglich der Regelungen zu Tempo 30, denn hier werden die neuen Spielräume des Gesetzes nicht genutzt. Vielmehr soll die bisherige Systematik bestehen bleiben, bei der die Regelgeschwindigkeit von 50 km/h nur bei klar definierten Ausnahmen reduziert werden darf. Zwar kommen neue Ausnahmen (Spielplätze, Zebrastreifen und hochfrequentierte Schulwege hinzu und die Zwischenräume dürfen künftig auch überbrückt werden, wenn sie 500m (bisher 300m) lang sind, aber das entspricht eben nicht der Forderung der Kommunen, die einfach vor Ort über die passende Geschwindigkeit entscheiden wollen.

Nach den beiden Inputs wurden Fragen aus dem Publikum zu StVG und StVO durch die beiden Referenten beantwortet. Dabei standen die Gleichrangigkeit der neuen Ziele und die Verkehrssicherheit im Mittelpunkt.

Gleichrangigkeit der neuen Ziele im StVG

- Die Ziele Klima- und Umweltschutz, Gesundheit und städtebauliche Entwicklung sind gleichrangig mit der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs im Gesetz verankert

- Die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs müssen lediglich „berücksichtigt“ werden. Das bedeutet, es muss geprüft werden, ob und inwieweit Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs bei einer neuen Anordnung berührt werden. Dass die Leichtigkeit des Autoverkehrs durch einen neuen Radweg beeinträchtigt werden könnte, stellt aber z.B. keinen Hinderungsgrund für dessen Anordnung mehr dar.

- Das StVG eröffnet einen neuen, weiten Regelungsspielraum, der in der Straßenverkehrsordnung und weiteren Regelwerken genutzt werden kann.

- Das neue Gesetzt lässt jetzt zu, dass sich zukünftig alle Regelungen für die Verkehrsplanung nicht mehr ausschließlich der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs dienen müssen, sondern auch an den neuen Zielen ausgerichtet werden können. Damit können den Kommunen deutlich mehr Entscheidungsspielräume eingeräumt werden.

- Die Aufnahme „verkehrsfremder“ Ziele (also Klima- und Umweltschutz, städtebauliche Entwicklung und Gesundheit) ins StVG ist ein echter Paradigmenwechsel. Damit kann den negativen Auswirkungen des Verkehrs auf diese Belange endlich mit den Mitteln des Straßenverkehrsrechts begegnet werden.

Verkehrssicherheit

- Es wäre möglich und wünschenswert, das Präventionsprinzip (Vision Zero) zusätzlich im Straßenverkehrsgesetz oder in der Straßenverkehrsordnung zu verankern. Dazu müsste aber Einigung in der Koalition und mit dem BMDV erreicht werden.

- Aber: Auch die Verankerung der neuen Ziele wird die Verkehrssicherheit erhöhen. Denn Maßnahmen, die zur Erfüllung der neuen Ziele angeordnet werden können wie Fahrradwege oder Flächen für den Fußverkehr werden die Situation für Menschen verbessern, die zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind (sogenannte ungeschützte Verkehrsteilnehmer*innen).

- Außerdem werden die Kommunen selbst die Verkehrssicherheit der verschiedenen Verkehrsteilnehmer*innen priorisieren und das werden auch Gerichte verlangen.

Weitere Fragen bezogen sich auf den Prozess. Das Straßenverkehrsgesetz muss am Freitag, 24.11.2023 im Bundesrat beschlossen werden. Am selben Tag steht dort auch die StVO auf der Tagesordnung. Diese wurde im Herbst vom BMDV vorgelegt und im Kabinett beschlossen. Aktuell verhandeln die Länder untereinander und mit dem BMDV über mögliche Änderungsanträge. Am 24.11. wird dann abschließend im Bundesrat beraten.

Weitere Veranstaltungen zu StVG und StVO werden wir in den nächsten Wochen und Monaten anbieten.