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Artikel

Zum Sondervermögen

Portrait of Swantje

Swantje Michaelsen

3 min Lesezeit

3. Juni 2022

Persönliche Erklärung zur Abstimmung über die Grundgesetzänderung Artikel 87a „Sondervermögen“
– Karoline Otte, MdB und Swantje Michaelsen, MdB

Die Zustimmung zur Grundgesetzänderung zum „Sondervermögen“ fällt uns nicht leicht, wir möchten sie deshalb an dieser Stelle erläutern.

Unzweifelhaft besteht bei der Bundeswehr ein enormer Investitionsbedarf, den wir unseren Bündnispartnern, aber auch den Soldat:innen schuldig sind. Der Sicherheitsbegriff, der an dieser Stelle jetzt Anwendung findet, greift allerdings viel zu kurz. Für den erweiterten Sicherheitsbegriff, der aus gutem Grund im Koalitionsvertrag verankert ist, sind Investitionen in die Cybersicherheit und den Zivilschutz ebenso entscheidend wie Investitionen in die globale Sicherheitslage und Stabilität durch die Aufstockung diplomatischer Kapazitäten und Entwicklungshilfe sowie die Eindämmung der Klimakrise. Sicherheit für uns und unsere Bündnispartner lässt sich nur schaffen, wenn wir humanitäre Katastrophen, die beispielsweise die Klimakrise mit sich bringt, abfedern. Zudem müssen wir eine menschenrechtsbasiere Entwicklungspolitik betreiben, die Demokratien nachhaltig stärkt. Gerade der brutale Angriffskrieg Putins auf die Ukraine hat nochmal deutlich gezeigt, dass wir noch stärker diplomatisch an einer Weltordnung arbeiten müssen, die keinen Platz für Aggressoren bietet. Die Resilienz von Staaten global ist ebenso zu stärken wie die Verteidigungsfähigkeit unserer Bündnispartner.

100 Milliarden Euro für die Bundeswehr dürfen also nicht allein unser Bild von Sicherheitspolitik widerspiegeln und schon gar nicht unsere alleinige Antwort auf die „Zeitenwende“ sein.

Die Menschen erwarten zu Recht mehr von uns. Denn die „Zeitenwende“ stellt uns nicht nur vor sicherheitspolitische Problemstellungen. Für den kommenden Haushalt kommen große Herausforderungen auf uns zu. Parallel müssen wir Ausgaben tätigen, die der veränderten Sicherheitslage Rechnung tragen, die sozialen Härten, die z.B. mit Energiepreissteigerungen einhergehen, abfedern und Mittel in Zukunftsinvestitionen geben.

Für unsere thematischen Zuständigkeiten ergibt sich vor allem die Notwendigkeit für den Haushalt 2023 Kommunen für ihre Handlungsfähigkeit finanziell auszustatten. Eine besondere Frage für den Haushalt 2023 ergibt sich aus der Altschuldenproblematik. Außerdem müssen wir zu tiefergehenden Lösungen für den kommunalen Klimaschutz kommen, damit Kommunen vor Ort ihren notwendigen Beitrag leisten können. Auch für kommunale Ausgaben im Bereich der Kinderbetreuung und der Unterbringung von Geflüchteten müssen wir im Bund langfristige finanzielle Lösungen finden. Auch für die gerade aus klimaschutzpolitischen Gründen notwendige Transformation im Verkehrssektor müssen in den nächsten Jahren die erforderlichen Investitionen gesichert werden. Das betrifft z.B. den Ausbau der Schieneninfrastruktur aber auch des ÖPNVs ebenso wie den Umbau der Infrastruktur für Rad- und Fußverkehr.

Es ist wichtig, dass im Haushalt 2023 Raum für diese Ausgaben geschaffen wird. Deshalb ist die Schuldenbremse nicht haltbar. Auch neue Steuern und Steuererhöhungen, für diejenigen in unserer Gesellschaft, die die breitesten Schultern haben, sind unausweichlich. Mögliche Wege sind eine Vermögensabgabe und Übergewinnsteuern. Dies alles bringt uns aber nicht dazu das „Sondervermögen“ abzulehnen, sondern betrifft vor allem Problemlagen der Haushaltsführung, die im Rahmen der Haushaltsaufstellung und -verhandlungen behandelt werden müssen. Wäre bei der Konstruktion des „Sondervermögens“ ein breiterer Sicherheitsbegriff zur Anwendung gekommen, dann wäre der Druck auf den Haushalt durch die veränderte Sicherheitslage geringer. Jetzt müssen wir dafür sorgen, die notwendigen Ausgaben im Bundeshaushalt zu verankern, ohne eine fatale Sparpolitik an anderen Stellen zu ergreifen. Es ist uns wichtig darzustellen, dass das Sondervermögen keine alleinige Antwort auf die „Zeitenwende“ ist. Wir haben bereits gute Entlastungspakete auf den Weg gebracht, doch in Zukunft wird hier noch mehr nötig sein, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in diesen Zeiten zu stärken, statt ihn zu gefährden. Eine Ablehnung des „Sondervermögens“ würde jedoch den Druck auf den Haushalt 2023 nur erhöhen, weil dann die notwendigen Ausgaben für die Bundeswehr auch über den Haushalt abgebildet werden müssten.

Wir haben in vielen Gesprächen in unserer Fraktion und mit weiteren Personen diese Themen eingebracht und setzen uns weiterhin dafür ein, dass sie Eingang in die weiteren Beratungen finden.